Ein traurig glücklicher Tag für Olivenbauer Roberto
Die Geschichte spielt in einem warmen Land, ich glaube in Italien. Sie handelt von einem kleinen, dicken Bauern, der erst sehr traurig und später wieder glücklich war. Wie hieß der Bauer? Er trug den schönen Namen Roberto. Der kleine, dicke Bauer Roberto wohnte zusammen mit seinem Sohn in einem sehr alten Bauernhaus. Es war mindestens dreihundert Jahre alt, vielleicht sogar noch älter.
Das Haus stand auf einem kleinen Hügel. Wer aus dem Fenster im ersten Stock sah, erblickte überall die silbrig schimmernden Blätter der Olivenbäume. Roberto war nämlich ein Olivenbauer. Jedes Jahr, wenn die Oliven an den Bäumen reif waren, zog er mit einem großen Sack von Baum zu Baum und pflückte die schwarzen und grünen Früchte. Dann brachte er seine Oliven zur Mühle, zermahlte und presste sie, um daraus feines Olivenöl zu gewinnen. Die Menschen liebten das Öl von Roberto. Mit seinem Öl wurde der Salat besonders lecker und bepinselte man die Hühnchen beim Grillen mit Robertos Olivenöl wurden diese außen besonders knusprig. Kurzum Robertos Olivenöl war eine Delikatesse.
So spazierte Roberto an einem schönen warmen Abend durch seinen Olivenhain und stellte fest: „Oh, meine Früchte sind reif, morgen werde ich ernten!“ Der kleine, dicke Bauer freute sich. Die Ernte war jedes Jahr sein schönster Tag. Und so ging er an diesem Abend vergnügt ins Bett, las noch eine Gute-Nacht-Geschichte und schlief zufrieden ein.
Der Olivenbauer Roberto freut sich auf die Ernte
Am nächsten Morgen stand Roberto schon um sechs Uhr auf. Schließlich sollte heute geerntet werden, da konnte man nicht so lange in den Federn liegen. Schnell machte er sich einen Cappuccino, aß dazu etwas Weißbrot und ging darauf in den Stall, um seinen Erntesack zu holen. Kurze Zeit später stand er unter dem ersten Olivenbaum.
„Nanu, was ist denn das?“, wunderte sich Roberto, „der Baum hat ja überhaupt keine Oliven. Das kann wohl schon mal

Roberto, der Olivenbauer
vorkommen, gehen wir also zum nächsten.“ Doch auch am nächsten Baum hing keine einzige Olive und beim dritten Baum auch nicht, und beim vierten auch nicht. Aufgeregt rannte Roberto durch seinen Olivenhain. Es war kaum zu glauben: alle Oliven waren weg, spurlos verschwunden. Da fing Roberto ganz bitterlich an zu weinen. Er weinte und weinte. Sein lautes Schluchzen hörten die Menschen noch im nächsten Dorf.
Sofort eilten seine Freunde und Nachbarn herbei. „Roberto, was ist passiert?“, wollte die Bürgermeisterin wissen. „Ich bin ruiniert! Es ist soooo schrecklich! Alle Oliven sind weg!“, heulte Roberto und schnäuzte in ein riesengroßes Taschentuch. Der arme Bauer war verzweifelt. „Jemand hat letzte Nacht alle Oliven geklaut“, stellte der Pfarrer fest, „sieh’ doch! Hier steht sogar noch eine Leiter.“
„Oh wie gemein!“, riefen die Dorfbewohner. „Der Dieb muss gefasst werden!“, sagte die Bürgermeisterin Giorgina empört. „Jawohl!“, stimmte der Dorfälteste zu, „wir werden sofort mit der Suche beginnen.“
Gesagt – getan! Die aufgeregte Menge lief in alle Richtungen, um Robertos Oliven wiederzufinden. Und höchste Eile war geboten, denn wenn sie die Oliven nicht bald finden, sind alle verdorben. Oliven sind sehr empfindlich und müssen ganz schnell nach der Ernte gepresst werden.
Roberto ist traurig
So saß der Olivenbauer Roberto traurig vor seinem Haus und wartete auf eine Nachricht über den
Verbleib seiner Oliven. Bei all der Aufregung hatte er gar nicht gemerkt, dass sich sein kleiner Sohn Filippo den ganzen Tag noch gar nicht gezeigt hatte.
Ein paar Stunden später kehrten seine Nachbarn und Freunde von der Olivensuche zurück. Sie hatten keine gute Nachricht für Roberto. Die Oliven waren immer noch spurlos verschwunden. Roberto dankte ihnen für ihre Hilfe, zuckte die Achseln und ging mit gesenktem Kopf ins Haus. Er aß noch etwas Weißbrot, trank einen Schluck Milch und ging betrübt zu seiner Olivenmühle. Sie war etwa zwanzig Minuten Fußweg von seinem alten Haus entfernt.
Die Überraschung
Als er dort ankam, stand die Tür offen. „Nanu, wer hat die: denn aufgemacht”, wunderte sich Roberto. Er wollte gerade eintreten, da vernahm er Schritte in der Mühle. Auf Zehenspitzen schlich er in die Mühle und lauschte. Es klapperte und polterte.
„Hallo, wer ist da?“, rief er ängstlich. „Ich bin’s!“, hörte er eine vertraute Jungenstimme, „ich komme gleich!“
Kurz darauf stand er vor ihm, der kleine Filippo, sein Sohn. Der Junge strahlte und rief fröhlich: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Papi!“
Roberto schlug sich auf die Stirn: „Mensch, ich Trottel! Meinen Geburtstag habe ich total vergessen!“
„Komm“, sagte Filippo, „ich zeig’ dir dein Geschenk.“
Filippo nahm seinen Papa an die Hand und führte ihn in den Lagerraum. Roberto traute seinen Augen nicht. „Das habe ich für dich zum Geburtstag gemacht, ganz allein“, erklärte Filippo stolz. Roberto war überglücklich und nahm Filippo in die Arme. Freudentränen liefen über seine Wangen.
Und weshalb? Nun, ganz einfach. Es war der kleine Filippo, der in der Nacht alle Oliven geerntet hatte. Mühsam hatte er die Oliven geerntet, sie in Säcken in die Mühle geschleppt, auf Kokosmatten verteilt und diese übereinandergestapelt. Dann wurden sie von einem großen, schweren Mühlstein zermahlen und gepresst. Das feine Öl aus den Oliven hatte Filippo in Flaschen gefüllt. Der ganze Lagerraum war voll mit fertigen Olivenöl-Flaschen.
Wieder glücklich
„Ich bin der glücklichste Olivenbauer der Welt!“, rief Roberto, „das muss gefeiert werden!“ Ja, und das taten sie dann auch. Roberto rief sofort wieder alle Nachbarn und Freunde zusammen, um seinen Geburtstag und die wieder gefundenen Oliven zu feiern.
So wurde vor dem kleinen Bauernhaus bis in die frühen Morgenstunden gegessen, gelacht und getanzt. Für Roberto war die Welt wieder in Ordnung.
Text und Illustration: Birgit Puck