Koch des Jahres – Bremerhaven Fischbahnhof
Kochen ist Leidenschaft, Handwerk, Phantasie und vor allem auch Geschäft. Wer die gesamte Klaviatur beherrscht und noch die Presse regelmäßig “anfüttert”, leuchtet irgendwann vielleicht hell am Sternenhimmel. Und genau die Sterne sind es, für die man alles gibt, damit man in die oberste Liga austeigt. Was liegt da also näher, sein Können in Berufs-Wettbewerben wie Koch des Jahres unter Beweis zu stellen. Auf dem Weg nach oben nimmt man so manches in Kauf.
Rund 100 Bewerbungen
Für das erste Vorfinale in Bremerhaven sind etwa 100 Bewerbungen an die Ausrichter des Wettbewerbs, die spanische Grupo Caterdata S.L, geschickt worden. Sechs Teilnehmer durften dann am 18. Juni in Bremerhaven in der ersten Bewerber-Runde Koch des Jahres mit einem Koch-Assistenten mitmachen. Vorgabe für ihr dreigängiges Menü war Fisch als Hauptgang und Dessert aus Grieß, Alge und weißer Schokolade. Ganz Meer eben, wie es sich für Bremerhaven gehört.
Zwei Tage working for free
- Jemand, der jung ist und aufsteigen will, muss selbstverständlich (!!) jede Menge Hürden meistern.
Er bekommt kein Geld. - Er “muss alle seine benötigten Zutaten selbst mitbringen”.
- Dabei sind die “Anreisekosten von dem Kandidaten selbst zu tragen”.
So steht es in den Bewerbungsausschreibungen. Immerhin kann der Wettbewerbsteilnehmer auf die Produkte der Sponsoren zurückgreifen. Ob diese wohl seine Geschmacks- und Qualitätsansprüche erfüllen …? Glück hat derjenige, der, sofern er sozialversicherungspflichtig angestellt ist, wenigstens von seinem Arbeitgeber für die Tage freigestellt wird, ohne dass er Urlaub nehmen oder Überstunden abbummeln muss. Aber von Überstunden hat jeder Koch ja mehr als genug.
Ob die hochkarätige Jury der Koch-Stars wie Dieter Müller, Sebastian Frank, Christian Lohse, Christian Sturm-Willms, Maria Groß (übrigens die einzige Frau in der Jury) und all die anderen ebenso wie die Teilnehmer gänzlich um der guten Sache willen honorarfrei bewerteten und ihre Zeit in Bremerhaven verbrachten? Keine Ahnung …, die Frage ist mir gerade beim Schreiben gekommen.
Probieren, bis der Bauch kugelrund ist
Während also die Jungköche an ihren Kochinseln im Foyer in den Küchendämpfen schufteten, hatte ich das Vergnügen mich auf der Veranstaltung erst mal meinem Lieblingsthema Schokolade und Patisserie zu widmen.
Das war schon göttliche Dessert-Kunst und gleich in dreifacher Ausführung. Drei Dessertteller habe ich vertilgt und leider den Fehler gemacht, am Anfang zunächst von Langnese Carte d’or (einer der Hauptsponsoren) Eisvariationen der Convenience-Gastronomie zu probieren. Niemand braucht eigentlich einen Patissier in seiner Küche, alles aus dem Hause Langnese ist bereits servier-fertig. Convenience für alle Gänge macht’s möglich.
Große Kunst der Patisserie
Nach dem Eis also die fruchtige Dessertschale von Mike Kainz (Patissier des Jahres 2017, Hotel Fontenay Hamburg) mit Passionsfrucht, Ananas und Pina Colada Sorbet, gleich darauf das “Nutella-Brot” 🙂 von Stephan Haupt (Schlossweinstube
Heidelberg), eine zarte Hippenrolle mit Nougatfüllung und luffigem Bananenbrot (das liebt der Schokopuck) und zuletzt eine asisatische Frucht- und Sorbet-Komposition der Patisserie-Meisterin Yoshiko Sato aus Basel. Die Namen der einzelnen Zutaten klangen in meinen Ohren so fremd, dass ich sie mir nicht merken konnte.
Zum Glück gab’s den Sponsor IO Kaffee. Der Espresso hatte ein schönes schokoladiges Aroma und war nach der Völlerei genau richtig, bevor mich zum Stand der Metro für einen Schluck Prickelndes zog. Von den Weinen, die ich dort später verkostet habe, war ich etwas enttäuscht. Da sponsort man den “guten Geschmack” und serviert selbst dünne Weinchen.
Und zu guter letzt hatte ich mich in der Seminarküche noch für die Veranstaltung Café Gourmand von Felix Vogel aus München angemeldet.
Von Süß zu Salzig
Während ein japanischer Meister der Fischkunst auf der Bühne einen Thunfisch von 106 kg filetierte und ich mich vehement am Stand von Ron Zacapa geweigert hatte, Rum zu probieren. Auch dann nicht, wenn dieser älter als 20 Jahre ist, nahm ich ein Stückchen Matjes der Friesenkrone. Ich bin keine Freundin von Matjes, aber hier stellte ich fest, es gibt tatsächlich Matjes, der fast nach gar nichts schmeckt. Den brauche ich erst recht nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass es in der sogenannten “Matjes-Challenge” im Fischbahnhof der Schweriner Koch Holger Mootz tatsächlich geschafft hat, aus dem nach Nichts schmeckenden Matjes etwas zu zaubern, was ihm als Löffel-Gericht den ersten Preis vom Publikum einbrachte.
Fischbühne frei für die Hauptakteure
Bis auf der Theaterbühne die Preisverleihung stattfand, traten die etablierten Köche zur sogenannten “Küchenparty” an und verteilten an ihre Gäste ihre kulinarischen Kreationen. Hier war das eine oder andere Produkt wohl nicht gerade das Beste, was sie sonst zu bieten haben. Geradezu widerlich der Tafelspitz mit einer Sehne im Fleisch-Stückchen. So was ist für mich zu Hause und erst recht in der Profi-Küche ein No-Go, da kriege ich Würge-Reize. Herausragend war die für mich die Miso-Suppe von Christina Sturm-Willms. Geht doch 🙂
Dann war es endlich so weit. Fischbühne frei für die Wettbewerbs-Kandidaten. Nachdem die Sponsoren ordentlich für ihren Einsatz gelobt worden waren, wurden der erste und der zweite Platz des Vorfinales Koch des Jahres benannt. Die Jury überzeugte Sören Herzig (Dots Etablisment, Wien) mit seinem Menü “ein Tag am Meer”. Er bekam den zweiten Preis. Der erste ging an Marvin Böhm (Aqua, Wolfsburg) mit seinem Fischstäbchen der Forelle im Hauptgang.
Ein wenig traurig machten mich die Preise: Ein 500.- Euro-Gutschein für ein Essen in einem Sterne-Restaurant gab’s für den ersten Platz, für den zweiten dann vier Freikarten für ein Konzert der Wahl in Köln. Mehr war am Ende wohl in den Werbe-Etats der Sponsoren Unilever, Metro, Valrhona, Langnese und all den anderen nicht drin. Schade.
Marvin Böhm und Sören Herzig dürfen beim Finale 2019 auf der Anuga in Köln mitkochen. Vielleicht sehe ich sie dort wieder. Auf jeden Fall war es ein Erlebnis zu sehen, mit viel Begeisterung und Herz die Jungköche ihren Beruf “leben”. Vielleicht ist ja im nächsten Vorfinale auch eine Frau dabei, in Bremerhaven war keine vertreten.
Text und Fotos: Birgit Puck