Hundegeschichte für Kinder
Ein Stadthund namens Tobi
eine Geschichte für Kinder von Birgit Puck
Hannes wohnte mitten in der Stadt. Seine Wohnung hatte einen kleinen Balkon, auf dem im Sommer die Blumen in seinen Pflanzkästen zu einer wahren Pracht erblühten. Nach der Arbeit saß Hannes gern auf seinem Balkon und beobachtete die Vögel oder den Himmel mit seinen vorbeiziehenden Wolken. Oft dachte Hannes daran, wie schön es wäre, einen Hund zu haben. Mit einem Hund könnte er seine Wohnung und seinen kleinen Balkon teilen und mit ihm gemeinsam die Wolken ansehen.
An einem schönen Sommerabend saß er auf seinem Balkon und las die Anzeigen in der Zeitung. Da entdeckte er eine kleine Anzeige: “Mischlingshund wegen Umzug in liebevolle Hände abzugeben.”
“Das ist es!”, rief Hannes erfreut und griff sofort zum Handy.
Schon wenige Stunden später war Hannes nicht mehr allein. Gern hatte ihm der Hundebesitzer den Mischlingshund anvertraut. Und so wohnte der Hund ab sofort bei Hannes. Tobi, so hieß der Hund, fühlte sich bei Hannes schon nach wenigen Tagen zu Hause.
Jeden Morgen und jeden Abend ging Hannes mit seinem Hund Tobi lange spazieren. Meist kam Hannes in der Mittagspause extra aus dem Büro angeradelt, um mit dem Hund Tobi noch eine kleine Runde zu drehen.
Tobi mochte Hannes und Hannes mochte Tobi. Doch jeden Morgen traf er, wenn er mit Tobi spazieren ging, seinen Nachbarn Fritz. “Hannes, überleg doch mal, ” sagte dann Fritz zu ihm, “in deiner kleinen Stadtwohnung sollte man keinen Hund halten. Ein Hund braucht Platz und Natur. Du solltest dir lieber eine Katze anschaffen. Katzen sind genügsam und können gut in der Wohnung leben.”
“Aber Tobi freut sich immer so, wenn ich nach Hause komme”, meinte Hannes.
“Glaub mir, Hannes”, gab Fritz zu bedenken, “auf dem Land hat es der Hund wirklich besser.”
Drei Tage später brachte Hannes seinen Hund zu seinem Freund Bauer Karl aufs Land. Beim Abschied wurde ihm ganz schwer ums Herz. Bauer Karl schenkte Hannes als Ersatz für Tobi eine kleine niedliche schwarz-weiße Katze.
Zu Hause angekommen war die Katze gar nicht mehr so niedlich. Als erstes sprang sie aufs Sofa und wetze am Stoff ihre Krallen. Der Sofabezug war sofort kaputt. Das Katzenklo wollte die Katze auch nicht benutzen. Statt dessen pinkelte sie in Hannes schön bepflanzte Blumenkästen auf dem Balkon. Als die Katze dann auch noch Hannes blank polierte Holzplatte vom Esstisch zerkratzte, hatte Hannes von der Katze endgültig genug.
“Nee, nee”, sagte er zu sich, “eine Katze ist nicht das Richtige für mich.” Er setzte die Katze in einen Korb und fuhr mit dem Auto wieder zu Bauer Karl.
Als er auf dem Hof aus dem Auto stieg, kam ihm Tobi freudig entgegen gelaufen. Hannes streichelte ihn ausgiebig: “Dich kann ich leider nicht wieder mitnehmen. Ein Hund gehört nicht in die Stadt.”
Da die Katze nicht zu Hannes und Hannes nicht zu der Katze passte, schlug Bauer Karl ihm vor, sich einen Wellensittich anzuschaffen. Da habe er auch Gesellschaft und so ein Vogel mache nicht alles kaputt.
Gleich am nächsten Tag ging Hannes in eine Zoohandlung und kaufte einen Wellensittich, einen Käfig und ein Badehäuschen für seinen neuen Mitbewohner seiner Stadtwohnung. Hannes taufte den Vogel Grünschnabel, weil er so grün leuchtete.
Grünschnabel piepte den ganzen Tag vor sich hin. Selbst in der Nacht gab er keine Ruhe und piepte, wie Hannes fand, besonders laut. Hannes konnte bei dem Gepiepe nicht gut schlafen. Deshalb war er am nächsten Tag bei der Arbeit nie besonders ausgeschlafen und entsprechend müde.
“Hannes, so geht das nicht”, schimpfte seine Chefin. “Wenn du immer so müde bist, kannst du deine Arbeit nicht ordentlich machen.”
“Mein Wellensittich lässt mich nachts nicht schlafen …”, versuchte Hannes sich zu rechtfertigen.
“Dann hol dir ein Kaninchen”, riet ihm seine Chefin, “das ist bestimmt leise und du kannst schlafen.”
Also nahm Hannes den Vogelkäfig mit Grünschnabel und das Badehäuschen und ging damit zur Zoohandlung.
“Tiere kann man nicht einfach umtauschen”, meinte der Zoohändler.
“Ja, ich weiß”, gab Hannes kleinlaut zu. “Aber der Grünschnabel ist hier in dem großen Käfig mit seinen Artgenossen bestimmt besser aufgehoben. Wahrscheinlich hat er seine Freunde einfach vermisst und deswegen nachts so einen Krach gemacht.
Grünschnabel blieb somit in der Zoohandlung und Hannes ging mit einem Kaninchen und einem großen Käfig heim.
Die Nacht konnte er endlich wieder gut schlafen. Doch am nächsten Morgen traute er seinen Augen nicht. Die ganze Küche war mit Heu und Salatblättern bedeckt. Das Kaninchen hatte mit seinen Pfoten alles aus dem Käfig geworfen.
Sofort nahm Hannes den Käfig mitsamt Tier und eilte zur Zoohandlung. Der Händler wollte jedoch nicht schon wieder das Tier von Hannes umtauschen und ihm auch nicht das Geld zurückgeben.
“Behalten Sie einfach das Tier!”, rief Hannes wütend, “wenn ich ein Schwein gewollt hätte, hätte ich mir ein Schwein gekauft und nicht so ein Kaninchen, was einen Saustall über Nacht fabriziert.” Hannes stellte den Käfig auf den Tresen und rannte aus dem Laden. Der Zoohändler blickte ihm kopfschüttelnd hinterher.
Von nun an saß Hannes wieder allein auf seinem Balkon. Sehnsüchtig dachte er an Tobi. Vielleicht mochte der Hund das Leben auf dem Land überhaupt nicht. Wahrscheinlich fühlte er sich sogar ziemlich einsam unter all den anderen Tieren. Genau so einsam wie Hannes.
Da half nur eins. Er setzte sich in sein Auto und düste zu Bauer Karl. Fast unter Tränen erklärte er, dass er Tobi wieder mitnehmen müsste, weil dieser seinen schönen Balkon wahrscheinlich genauso liebte wie er selbst. Karl nickte verständnisvoll.
Kurz darauf saß Tobi fröhlich kläffend im Auto und fuhr mit Hannes zurück in die Stadt.
Ach, wie ist das Leben schön! Hannes und Tobi gingen jetzt wieder jeden Tag spazieren, saßen zusammen im Sonnenschein auf dem Balkon und tobten am Wochenende durch den Stadtpark.
Als Hannes eines Morgens seinen Nachbarn Fritz traf und der ihn fragend ansah, sagte Hannes nur: “Tobi kann das Land nicht ausstehen. Er ist eben ein richtiger Stadthund.”